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Kultursensible Psychotherapie für Geflüchtete

Kultursensible Psychotherapie für Geflüchtete

Fachkongress am Uni-Klinikum Erlangen am 6. und 7. Dezember 2019

Wie kann eine Psychotherapie für Migrantinnen und Migranten und für Geflüchtete aussehen? Welche speziellen Anforderungen stellen sich an die Behandlung? Wann werden Psychotherapeutinnen und -therapeuten zu Anwältinnen und Anwälten für Betroffene und wie wirkt sich das auf die therapeutische Beziehung aus? Diesen und weiteren Fragen geht der bevorstehende Kongress des Dachverbands der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im deutschsprachigen Raum e. V. (DTPPP) nach. Prof. Dr. (TR) Yesim Erim, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen, ist in diesem Jahr Kongresspräsidentin. Die Veranstaltung findet am Freitag und Samstag, 6. und 7. Dezember 2019, in den Hörsälen Medizin im Ulmenweg 18 in Erlangen statt und richtet sich an Fachpublikum.

Unter dem Titel „TherapeutInnen oder AdvokatInnen? Engagierte Psychotherapie für MigrantInnen und Geflüchtete“ präsentiert die Erlanger Psychosomatik an beiden Kongresstagen ihre aktuellen Projekte und Kooperationen im Bereich der psychosozialen Betreuung von Geflüchteten.

Neue Studie: Traumatisierung und Diskriminierung beeinflussen Wohlbefinden

„Wir sehen, dass Geflüchtete auch nach längerem Aufenthalt in Deutschland oft stark psychisch belastet sind. Trotzdem finden sie Wege in die Arbeitswelt“, sagt Prof. Erim. Eine aktuelle Studie der Psychosomatik des Uni-Klinikums Erlangen zeigt: 35 Prozent der syrischen Flüchtlinge, die seit durchschnittlich dreieinhalb Jahren in Deutschland leben und über eine Aufenthaltserlaubnis verfügen, haben einen Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplatz bekommen. „Es gibt Hinweise darauf, dass Arbeit einen schützenden Effekt auf die Psyche von Geflüchteten hat, weil sie dadurch soziale Kontakte knüpfen, ihren Tag strukturieren und Anerkennung erhalten können“, erläutert Prof. Erim. In der Erlanger Studie wird auch deutlich, dass die psychische Belastung und das Wohlbefinden von Flüchtlingen wesentlich davon abhängen, wie viele Traumatisierungen sie im Heimatland erlebt haben und wie stark sie eine Diskriminierung durch ihr soziales Umfeld in Deutschland wahrnehmen.

Ambulanz für Geflüchtete in der Psychosomatik

In der Ambulanz für Geflüchtete in der Psychosomatik des Uni-Klinikums Erlangen auf dem Kussmaul-Forschungscampus in der Hartmannstraße werden die psychischen Beschwerden Geflüchteter seit 2016 eingeordnet und behandelt; es gibt kaum Wartezeiten. Nach der ersten orientierenden Diagnostik haben die Geflüchteten dort die Möglichkeit, sich in eine ambulante deutsch- oder arabischsprachige Gruppentherapie aufnehmen zu lassen, Einzelgespräche zur Krisenintervention wahrzunehmen, sich stationär oder tagesklinisch behandeln zu lassen oder mit einer ambulanten Therapie außerhalb des Uni-Klinikums Erlangen fortzufahren. Sprach- und Kulturmittlerinnen und -mittler für Arabisch unterstützen hier zum Beispiel die interkulturelle Kommunikation zwischen Betroffenen und Behandlern – über die reine Übersetzungsleistung hinaus.

Verbale Gewalt gegen Geflüchtete

Fast alle Flüchtlinge haben in ihrem Herkunftsland oder während ihrer Flucht Gewalt erfahren – entweder als Opfer oder in der Rolle der Beobachterin oder des Beobachters. In Deutschland setzt sich diese Gewalt häufig in verbaler Form fort. „Es gibt gerade in Institutionen viele verborgene Formen von Ausgrenzung und von verbaler Gewalt gegenüber Geflüchteten“, weiß Prof. Erim. „Wir wollen diese verbale Gewalt sichtbar machen, dafür sensibilisieren und Empfehlungen geben für eine kultursensible und egalitäre Kommunikation in Institutionen.“ Dazu kooperiert die Erlanger Psychosomatik unter anderem mit dem Zentralinstitut für Regionenforschung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sowie mit den Lehrstühlen für Germanistische Sprachwissenschaft und Gesundheitspsychologie der FAU Erlangen-Nürnberg. Gemeinsam etablierten die Beteiligten das Projekt „VIOLIN“ – verbale Gewalt in Institutionen gegen Migrantinnen, Migranten und Geflüchtete. Beim DTPPP-Kongress am 6. und 7. Dezember 2019 berichten Referentinnen und Referenten von VIOLON über politische und menschenrechtliche Rahmenbedingungen für Geflüchtete und über die psychosozialen Einflüsse von Flucht und Migration. In Workshops eignen sich die Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer schließlich praktisch an, wie sie angemessen und sensibel mit Geflüchteten umgehen.

Interviews für Medienvertreterinnen und -vertreter möglich

Prof. Erim steht im Vorfeld der Veranstaltung gern für Interviews zur Verfügung. Um eine Rückmeldung unter Tel.: 09131 85-34596 wird gebeten.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. (TR) Yesim Erim
Telefon: 09131 85-34596
E-Mail: yesim.erim(at)uk-erlangen.de